Auszug aus dem Drama

„Nicht weit. Bloß ein Stück.“ Aus dem Jahr 2005

 

Kind: Der mit seinem Gerede. Aber oft mag ich es auch. Wie ist das nun, wenn jeder einmal seine Kiste öffnet. Was kommt da zum Vorschein. All die Pracht und all die Herrlichkeit, denk’ ich mir, aber auch all die Schmerzen und all die Weinerlichkeit. Da steh ich dann vor meiner Kiste und wage kaum hineinzublicken. Nichts Schönes ist drin, oder nur wenig. Und so ziehen die Tage ins Bewusstsein, aber ich möchte auch stolz sein und zufrieden. Mir ist lieber ich knall den Deckel drauf, Schloss zu. Dreh den Schlüssel herum und steck ihn mir dann zwischen meine weichen Beine. So eine Sicherheit gibt es nirgends anders auf der Welt.

Mutta: Die Menschen und die Männer fassen dich am Handgelenk und laufen mit dir. Hals über Kopf, bis dir die Zunge raushängt. Ob du es schaffst oder nicht. Viele bleiben auf der Strecke. Sieh her! Da sind meine Narben. Die Brüste und der Bauch, die Schenkel und die Wangen. Fleisch für die anderen. Die Weiblichkeit ist tiefer drin, als anfangs. Schneller, als dir lieb ist, bist du abgehängt. Alleingelassen mit ein paar Fetzen auf der Haut. Die Tiere warten schon. Für eine Zugehörigkeit nehme ich vieles an. Erträglichkeit ist eine frauliche Eigenschaft. Warm und weich geben wir den Söhnen die Luft zum Atmen. Bis sie uns begatten und einen Aufstand machen. Männer und Menschen ertragen eine Liebe. Sie sind wie ein Schwamm.

Vaata: Dein Gerede macht das Kind und mich auch noch ganz weich im Kopf. Was soll sie davon halten? Hineingeboren in eine Welt, die keine mehr ist. Hinaus gestoßen zwischen deinen Schenkeln in die Wirklichkeit, die grau und berechnend geworden ist. Das war sie schon immer. Nur früher waren die Rechnungen einfacher. Das Leben ist kompliziert geworden. Wie kann es sein, dass Söhne und Töchter geboren werden und das Rüstzeug vergessen haben. Den Instinkt und den Verstand.

Mutta: Diese Schuld habt ihr euch aufgeladen. Niemand sonst. Keiner weiß wie das Leben funktioniert. Wir sitzen an den Tischen und liegen in den Betten herum. Gehen auf Strassen und hocken in Winkeln. Immer mit der Hoffnung, einen Grund und eine Absicht für die nächsten Stunden zu finden. Zwischen damals und heute ist keine Entwicklung.